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Diese Frage wurde im Magazin von Pinkstinks im Beitrag vom 16. September 2020 gestellt und die Notwendigkeit an dem nachfolgenden Beispiel verdeutlicht:

„Kommt eine Frau zum Arzt: „Herr Doktor, hier oben am Bauch, an Hals und im Nacken tut es so weh und ich bin so kurzatmig. Außerdem bin ich ganz furchtbar müde.“ „Ach, Sie sind vermutlich gestresst. Gehen Sie mal nach Hause und ruhen sich ein bisschen aus.“ Diese Frau hat gleich zwei Probleme. Sie hat einen Herzinfarkt – und sie ist eine Frau.

Bei Frauen zeigen sich im Falle eines Herzinfarktes nämlich andere Symptome als bei Männern. Männer klagen eher über das allseits bekannte Engegefühl in der Brust, das sich bis zum linken Arm ausdehnen kann, was selbst von medizinischen Laien sofort als Herzinfarkt identifiziert wird, so wird der Mann schnell ins Krankenhaus transportiert und behandelt. Den Infarkt der Frau hingegen erkennen häufig nicht einmal Ärzt*innen, weshalb er schwerer sein und schlimmstenfalls tödlich enden kann.

Dass das Geschlecht eine von mehreren Determinanten (bestimmenden Faktoren) der Gesundheit von Menschen ist, belegt auch die Forschung :

“Dies betrifft die biologische und die soziale Dimension von Geschlecht gleichermaßen, die im internationalen Sprachgebrauch meist mit den Begriffen sex bzw. gender bezeichnet werden.“

Aber warum sind die geschlechtsspezifischen Symptome eines Herzinfarktes so unbekannt?, fragt sich Pinkstinks und hat dafür eine Antwort: „Weil in der Medizin leider hauptsächlich gilt: Wenn von Menschen die Rede ist, sind eigentlich immer Männer gemeint… Aber warum sind Männer das Zentrum medizinischer Forschung? Zum einen, weil sie Männer sind…zum anderen (…) sind Frauen für die medizinische Forschung einfach viel zu kompliziert. Mit ihren Zyklen und Hormonschwankungen, die in die Studien und Forschungen mit einbezogen werden müssten, würden die Forschungsergebnisse viel komplizierter und viel später fertig werden

Der patriarchale Denkfehler: Die echten Frauen, für die die echte medizinische Diagnostik und Behandlung ja auch sein sollen, haben auch in echt Zyklen und Hormonschwankungen. Somit ist häufig gar nicht erforscht, wie Frauen auf Krankheiten und deren medizinische Behandlung reagieren. Das ist wirklich blöd, aber eben nur für die Frauen.

Daher ist es auch nicht sonderlich erstaunlich, dass sich auch fast nur Frauen in der Gendermedizin engagieren.

Die erste, die zum Thema Frauen und Herzkrankheiten forschte und publizierte, war die New Yorker Kardiologin Marianne Legato (https://gendermed.org/just-the-facts/).

Erst nach ihren Erkenntnissen wurde in klinischen Studien berücksichtigt, dass Frauen und Männer unterschiedliche Symptome zeigen und unterschiedliche Behandlung benötigen. Sie gründete die Foundation For Gender-Specific Medicine in New York, die seitdem forscht und publiziert und beweist, dass sich geschlechtsspezifische Unterschiede nicht nur auf Herzkrankheiten beschränken.

Nur ein paar Beispiele:

  • Männer erkranken drei Mal häufiger an Bauchspeicheldrüsenkrebs als Frauen. Die Aufnahme und Verarbeitung von Schmerzmitteln unterscheidet sich bei Männern und Frauen.
  • Ostheoporose betrifft auch Männer, denen aber viel seltener als Frauen zu einem Knochendichte-Test geraten wird.
  • Aufgenommene Nahrung benötigt doppelt so viel Zeit, den weiblichen Körper durch den Verdauungstrakt zu verlassen, als den männlichen.
  • Frauen können Virusinfektionen besser abwehren, weil ihr Immunsystem aktiver ist, dafür haben Männer eine höhere Veranlagung zu Schluckauf.

Das erklärte Ziel der Gendermedizin ist es, für Awareness (Bewusstheit zur Betonung der aktiven Haltung, Gewahrsein, auch Aufmerksamkeit) zu sorgen und für beide bzw. alle Geschlechter die Diagnose und Behandlung von Krankheiten zu verbessern und diese Ergebnisse zu einem Bestandteil der medizinischen Ausbildung zu machen.

Ein Institut für Gendermedizin gibt es übrigens auch in Deutschland. Also wirklich, EIN Institut. Die Pionierin, die bis 2019 Direktorin des Instituts war, ist Prof. Dr. h.c. Vera Regitz-Zagrosek (https://gender.charite.de/metas/person/person/address_detail/regitz_zagrosek-4/).

Sie ist Gründungspräsidentin der Deutschen und der Internationalen Gesellschaft für Geschlechtsspezifische Medizin und hat an der Charité das einzige deutsche Curriculum für Gendermedizin in einem Medizinstudiengang aufgebaut.

Das bedeutet, dass nur in Berlin zukünftige Ärzt*innen lernen können, wie sie in der Diagnostik und Behandlung geschlechtsspezifische Unterschiede einbeziehen. …

Anmerkung von Pinkstinks: Da die Genderforschung überwiegend zwischen Mann und Frau unterscheidet, ist in diesem Text überwiegend die Rede von den binären Geschlechtern. Wir möchten aber entschieden darauf hinweisen, dass Menschen, die sich nicht eindeutig als Mann oder Frau zuordnen lassen wollen, und Menschen, die sich nicht mit den angeboren Geschlechtsmerkmalen identifizieren, nicht nur in der Gendermedizin nicht ausreichend erwähnt und berücksichtigt werden.

Hinweis auf einen Beitrag im Spiegel: Medizinische Versorgung von Transgender-Personen (https://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/transgender-diskriminierung-im-krankenhaus-a-1277369.html)

In punkto Forschung und Lehre ist bei der Gendermedizin also noch deutlich Luft nach oben. Das Bundesministerium für Gesundheit hat deshalb auch 2019 für den Förderschwerpunkt (Link https://www.forschung-bundesgesundheitsministerium.de/foerderung/bekanntmachungen/rahmenbekanntmachung-geschlechtsspezifische-besonderheiten) Geschlechtsspezifische Besonderheiten in der Gesundheitsversorgung, Prävention und Gesundheitsförderung 3,5 Millionen eingeplant. Das ist , so im Beitrag von Pinkstinks, allerdings eher ein Portokassenbetrag, wie das Neo Magazin Royale (Link http://gibgeldjens.de/) in einer Sendung berichtete, …“

Das Bundesgesundheitsministerium sieht vor, ein wissenschaftliches Begleitvorhaben zum Förderschwerpunkt „Geschlechtsspezifische Besonderheiten in der Gesundheitsversorgung, Prävention und Gesundheitsförderung“ (Link https://www.forschung-bundesgesundheitsministerium.de/foerderung/bekanntmachungen/begleitvorhaben-geschlechtsspezifische-besonderheiten) zu fördern. Die Einreichungsfrist von Vorhabenbeschreibungen/Projektskizzen begann am 5.10. und endet am 15.12.2020.

Das Begleitvorhaben soll dazu beitragen, die beiden in der Rahmenbekanntmachung formulierten, übergeordneten Ziele des Förderschwerpunktes zu erreichen:

  1. die Reduktion geschlechtsbedingter gesundheitlicher Ungleichheiten und
  2. die Verbesserung der Qualität von Angeboten in der Gesundheitsversorgung, Prävention und Gesundheitsförderung.“

Fazit

auch aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (Link https://www.bmbf.de/de/genderforschung-222.html):

„Besonders deutlich wird die Relevanz von biologischem und sozialem Geschlecht in der Medizin. Das betrifft einerseits die Menschen, die in der Medizin lernen, lehren, forschen und heile: Es gibt heute so viele hervorragend qualifizierte Frauen wie nie zuvor in Deutschland. Weit mehr als die Hälfte der Studierenden sind heute Frauen, die häufig mit Bestnoten ihr Studium abschließen. Dennoch schaffen es nur wenige in Spitzenpositionen.

Geschlechterstereotype und gesellschaftliche Rahmenbedingungen führen immer noch häufig zum Stillstand oder Abbruch weiblicher Karrieren in der Medizin. Aber auch für die Forschungsgegenstände ist das Thema Gender relevant.

Unstrittig ist, dass eine optimale Versorgung von Patientinnen und Patienten nur auf Grundlage einer individualisierten Medizin erreicht werden kann. Kein Mensch gleicht dem anderen. Kinder sind keine jungen Erwachsenen, Frauen sind keine kleinen Männer.

Krankheiten, etwa ein Herzinfarkt, zeigen sich mit unterschiedlichen Symptomen und erfordern unterschiedliche Therapien.

Deswegen müssen das biologische und das soziale Geschlecht (Verhaltensweisen) bei der Erforschung von Krankheiten und Therapien berücksichtigt werden.

Studien sollten immer mit Männern und Frauen durchgeführt werden. Denn auch Männer können an Brustkrebs erkranken, und Medikamente wirken auf weibliche Körper oft anders als auf männliche.“

 

Der Beitrag wurde am 12.10.2020 von unserem Vorstandsmitglied Ute Pfaff-Hamann, ehemalige Gleichstellungsbeauftragte und betriebliche Sozialberaterin, zusammengestellt.

Bildquelle: https://pinkstinks.de/ – Beitrag vom 16. September 2020